Feministisch, solidarisch, gerecht: Jeder Tag ist Frauenkampftag! – Gastbeitrag von Anna Westner und Anna Peters

- Posted by Author: Pauline Schur in Category: Artikel 1/20 | 7 min read

Wir haben unseren Schwestern, die schon vor mehr als 100 Jahren für das Frauenwahlrecht, Anerkennung und Gleichberechtigung gekämpft haben, vieles zu verdanken. Doch leider ist der Kampf noch nicht vorüber, sondern wir befinden uns mittendrin. Deshalb wollen wir auch in diesem Jahr mit Veränderungsdrang und starken Forderungen auf die Straße gehen. Wir sprechen das Private, die Arbeitsverhältnisse, die (sexuelle) Selbstbestimmung und die fehlende Anerkennung von Care-Arbeit an und haben klare Visionen, wie wir diese Ungerechtigkeiten beseitigen wollen.

Nicht nur ein Beziehungsdrama: Gewalt gegen Frauen

Jeden Tag versucht ein Mann, seine Partnerin zu töten; jeden dritten Tag gelingt es ihm. Die Taten werden oft heruntergespielt und nicht als das benannt, was sie sind: Morde. Stattdessen ist von „Beziehungsdramen“ oder „Eifersuchtstaten“ die Rede. Femizide dürfen nicht mehr verharmlost werden, sondern müssen klar benannt und bekämpft werden. Dazu gehört auch ein Ausbau und eine angemessene Finanzierung von Frauenhäusern, die oft mit massiven finanziellen Problemen zu kämpfen haben und Platz für viel zu wenige Frauen bieten.

Außerdem erleben mehr als zwei Drittel der Frauen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Hier sind unabhängige Beschwerdestellen und Aufklärung über die Rechte der Beschäftigten notwendig.

Die digitale Gewalt gegen Frauen nimmt ebenfalls zu: Sie werden sexuell belästigt, bedrängt, bedroht und erpresst. Wirksame Gegenstrategien fehlen; Betroffene werden nicht ernst genommen und ziehen sich oft zurück. Insbesondere junge, linke Frauen, die öffentlich auftreten, werden zu Zielscheiben und ihre Kommentarspalten zu Tummelbecken von Sexist*innen und Rechtsextremist*innen. Hier sind angepasste und vereinfachte Melde- und Anzeigemöglichkeiten sowie ein wesentlich entschiedeneres Vorgehen der Plattformbetreiber*innen von Nöten. Bis dahin gilt: Unsere Solidarität gegen euren Hass – unterstützt Betroffene, wo ihr könnt!

My body, my choice – Weg mit §218 und §219a!

Im November 2017 wurde die Gynäkologin Kristina Hänel verurteilt – weil sie auf ihrer Website angegeben hatte, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Möglich macht das der §219a StGB, der „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt. Unter „Werbung“ fallen hier aber auch neutrale Informationen von Ärzt*innen. Auch der mittlerweile beschlossene Kompromiss der GroKo ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein: Gynäkolog*innen dürfen nun zwar angeben, dass sie Schwangerschaftsabbrüche anbieten – aber nicht wie. Ansonsten drohen noch immer empfindliche Geldstrafen. Die SPD verweigert sich noch immer einem gemeinsamen Antrag mit LINKEN, Grünen und FDP zur kompletten Abschaffung des Paragraphen einzubringen. Das muss ich endlich ändern! Schwangere müssen sich vollumfänglich informieren können, ohne unnötig Steine in den Weg gelegt zu bekommen.

Aber auch das reicht nicht: Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland noch immer illegal und nur unter bestimmten Bedingungen straffrei. Der §218 StGB sieht vor, dass Schwangere sich vor einem Abbruch beraten und dann eine Wartezeit einhalten müssen; Abbrüche sind im Regelfall nur in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen möglich. Das ist nicht nur ein Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht von Schwangeren, sondern verunsichert auch Ärzt*innen. Die Folge: Immer weniger Praxen bieten Schwangerschaftsabbrüche an; Schwangere müssen daher teilweise hunderte Kilometer weit fahren. Der §218 muss raus aus dem Strafgesetzbuch und Schwangerschaftsabbrüche sollen im Medizinstudium verstärkt thematisiert werden

Zeit fürs ganze Leben – Die 20-Stunden-Woche erkämpfen

Lohnarbeit nimmt im Leben einen viel zu großen Raum ein: Nach acht Stunden im Büro, auf der Baustelle oder am Krankenbett fallen wir oft nur noch müde ins Bett; Zeit und Energie für Engagement, Freund*innen und Weiterbildung bleiben kaum noch. Dabei ist Leben so viel mehr als Lohnarbeit: Menschen brauchen auch Zeit für politisch-gesellschaftliche Teilhabe und Selbstverwirklichung.

Dass inzwischen auch Frauen zum Lohnarbeiten gezwungen sind, heißt aber nicht, dass wir das Patriarchat überwunden haben: Frauen kümmern sich neben ihrem Job um die Kinder, pflegebedürftige Angehörige und den Haushalt und leisten viel mehr unbezahlte Arbeit als Männer, was im Alter auch ein sehr viel höheres Armutsrisiko zur Folge hat. Die Hälfte aller berufstätigen Frauen arbeitet in Teilzeit, bei den Männern sind es nur 15%. Jeden Tag verrichten Frauen  durchschnittlich 1,5 Stunden mehr Care-Arbeit als Männer, was einem Gender Care Gap von 52 % entspricht. In Paarhaushalten mit Kindern vergrößert sich diese Diskrepanz nochmals erheblich. Private Care-Arbeit wird weder entlohnt noch gesellschaftlich ausreichend honoriert. In kapitalistischen Systemen wird gesellschaftliche Anerkennung hauptsächlich durch Lohnarbeit generiert. Wenn wir also über eine gerechte Verteilung von Hausarbeit anstreben, dann müssen wir auch darüber sprechen, wie die Anforderungen auf alle Geschlechter gerechter verteilt werden können. 

Die notwendige Arbeit sollte auf alle verteilt, in ihren Anforderungen »humanisiert« und immer weiter reduziert werden, um mehr Freiheit zu schaffen und damit die Selbstentfaltung der Menschen zu ermöglichen. Der technische Fortschritt muss genutzt werden und die Absenkung der Regelarbeitszeit auf 20 Stunden pro Woche bei vollem Lohnausgleich darf keine Utopie bleiben!

Who cares? We care! 

Nachts alleine für eine ganze Station zuständig sein, kaum Zeit für Patient*innen haben und sich nebenbei noch fragen müssen, wie man denn seine Miete zahlen soll: Mieses Gehalt, dumme Sprüche und komplette Überlastung sind in Pflegeberufen leider eher die Regel als die Ausnahme.

Leider ist es kein blöder Zufall, dass besonders Berufe, die mehrheitlich von Frauen ausgeübt werden, schlecht bezahlt werden und gesellschaftlich wenig Anerkennung bekommen. Besonders die gewerkschaftliche Organisierung, Tarifstreiks und Arbeitskämpfe waren in diesen Berufen immer schwieriger oder haben gar nicht erst stattgefunden. Deswegen müssen wir als linke Feminist*innen genau diese Berufsgruppen in den Fokus nehmen und gemeinsam mit ihnen für eine Aufwertung von Pflegeberufen kämpfen: Für besseren Lohn, bessere Arbeitsbedingungen und mehr Anerkennung. 

Die führenden Stimmen in der Care-Debatte stellen aber neben der Aufwertung ihrer Berufsgruppe ganz neue Fragen: Sie hinterfragen ein Pflegesystem, dass im flexibilisierten Kapitalismus immer weniger Zeit für den Menschen und seine sozialen Bedürfnisse hat. Um die Pflegekrise zu bewältigen, müssen wir uns von der ökonomisierten Marktlogik im Pflege- und Carebereich befreien. Im Mittelpunkt sollte viel mehr das Miteinander und Füreinander stehen: Die Zeit, zusammen ein Buch zu lesen, spazieren zu gehen oder eine Geschichte zu hören. Deshalb müssen wir uns neben einer finanziellen und gesellschaftlichen Aufwertung des Pflegeberufs eben auch für ein ganz anderes Pflegekonzept stark machen: Ein Pflegekonzept, das Zeit für den Menschen hat und ihn als solches in Würde altern lässt. 

Der feministische Streik kann das Ausbeutungssystem lahmlegen

Die neue Form des feministischen Streiks begann 2018 in Polen. Als sich polnische Frauen gegen das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen organisierten und zu hunderttausenden die Arbeit niederlegten und auf die Straße gingen. Nach dem Mord an Lucía Pérez in Argentiniern wurde darauf mit dem Ausruf „Ni una menos“ geantwortet. Wir haben eine Kraft und Inspiration aus Argentinien erleben dürfen, auf die wir hier noch warten. Im Frühling 2018 legte ein feministischer Streik Spanien lahm. Mehr als fünf Millionen Demonstrant*innen folgten dem Aufruf der Veranstalter*innen dieser vierundzwanzigstündigen Streikaktion, sich für „eine Gesellschaft ohne sexistische Unterdrückung, Ausbeutung und Gewalt […], für Rebellion und den Kampf gegen jenes Bündnis von Patriarchat und Kapitalismus, das uns gehorsam, fügsam und still sehen will“, einzusetzen. Die Straßen Spaniens waren voll mit aufgebrachten, wütenden Frauen – und das öffentliche Leben war lahmgelegt. 

Wenn wir also auch in Deutschland über neue Formen von politischer Aktion nachdenken, dürfen wir das Streikelement nicht vergessen. Vom Streik gehen starke, selbstbewusste und selbstbestimmte Bilder aus, die Hoffnung bringen im Kampf gegen verschiedenste patriarchale Unetrdrückungsformen. In Polen, Argentinien, Spanien und vielen weiteren Ländern haben es die Frauen vereint geschafft, das System lahmzulegen und zu zeigen: Wenn wir streiken steht die Welt still!

„Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen: Sie bekommen nichts.“

All die Veränderungen, die wir fordern, werden nicht einfach vom Himmel fallen.

Die Vergangenheit hat gezeigt: Nur wenn wir die Arbeit – und zwar nicht nur die Lohnarbeit, sondern auch die Reproduktionsarbeit – niederlegen und streiken, können wir eine radikale Veränderung der Verhältnisse bewirken. 

Lasst uns den Vorbildern aus Argentiniern, Polen und Spanien folgen und am 8.März ebenfalls die Arbeit niederlegen und gemeinsam solidarisch streiken. Lasst uns das System in den kommenden Jahren lahmlegen, bis unsere politischen Forderungen umgesetzt werden und klar machen: Blumen alleine reichen uns nicht – wir wollen echte Veränderungen und ein Ende des Patriarchats!

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