Wenn Kinder krank machen – Karina Kloos

- Posted by Author: Pauline Schur in Category: Artikel 1/20 | 4 min read

„Hauptsache das Kind ist gesund!“, diesen Satz höre ich oft, wenn nach dem Geschlecht des Kindes gefragt wird. Doch was passiert, wenn das Kind nicht gesund ist? Die Antwort auf diese Frage erlebe ich beinahe täglich bei der Arbeit. Egal, ob im Kinderkrankenhaus, in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, in der Rehaklinik oder in der Praxis, in der ich jetzt arbeite – es sind fast immer die Mütter, mit denen ich rede, wenn es um die Gesundheit des Kindes geht. Und diese Gespräche führen sie nicht nur mit mir, sondern mit den anderen Therapeut*innen, den Ärzt*innen und den Behörden. Nicht zu vergessen die Zeit, die diese Mütter freischaufeln, um ihr Kind zu den zahlreichen Terminen zu bringen.

Kinder, die krank sind brauchen Therapien und ärztliche Behandlungen, um eine möglichst förderliche Entwicklung zu erleben. Doch diese zeitintensive Betreuung kann nur dann gewährleistet werden, wenn ein Elternteil die Arbeit hinten anstellt und dem Kind alles möglich macht. Aber auch außerhalb der Termine und der eigenen (Teilzeit-)Arbeit, können diese Frauen meist nicht abschalten. Denn ihre Kinder brauchen meist vollste Aufmerksamkeit und jederzeit Hilfe. Ich kenne Eltern, die ihr Kind nie alleine lassen können, egal, wie alt es ist. In meiner täglichen Arbeit erlebe ich sehr oft den Wunsch, dass das Kind alleine spielen kann, damit sich die Mütter wenigstens eine Stunde am Tag mit sich selbst beschäftigen können. Und als wäre das nicht belastend genug, kämpfen die Behörden und Krankenkassen ganz oft gegen diese Familien. Rehamaßnahmen und Hilfsmittel werden nicht genehmigt, Zuschüsse werden abgelehnt, finanzielle Hilfen sind nur durch zeitintensive Recherchen zu finden, Wartezeiten für Behandlungen sind teilweise länger als 12 Monate und dann wird zusätzlich dazu gesagt, dass das Kind in der KiTa oder der Schule nicht länger willkommen ist, weil es die pädagogischen Fachkräfte an ihre Grenzen bringt.

Wenn wir im politischen Kontext über Care-Arbeit sprechen, dürfen wir diese Familien nicht vergessen. Denn diese Mütter leisten jeden Tag Überstunden. Sie sind ausgebrannt und erschöpft, haben aber keine Möglichkeit sich zu erholen. Denn wenn sie sich nicht um ihre Kinder kümmern, tut es sonst niemand. Wir brauchen endlich ein Gesundheitssystem, dass diese Menschen in den Mittelpunkt stellt. Wir als Jusos haben noch nicht alle Antworten gefunden, aber wir sind mit unseren Forderungen für ein solidarisches Gesundheitssystem ein Stückchen näher dran. Wenn wir die Kosten für die ganzen Behandlungen zusammenrechnen, ist es kein Wunder, dass Kinderkliniken sehr Kostenintensiv sind und meist nicht profitabel sind. Kinderkliniken schreiben rote Zahlen, weil die Kinder sehr komplex sind und nicht alles was im Krankenhaus behandelt wird, von den Krankenkassen bezahlt wird. Kein Wunder also, dass vor allem in Kinderkliniken beim Personal gespart wird. Das führt jedoch dazu, dass Betten gesperrt werden und Kindern nicht die Hilfe bekommen, die sie ganz dringend brauchen. Doch wollen wir wirklich ein System unterstützen, dass Kinder im Stich lässt?

Wir Jusos fordern eine bedarfsgerechte Finanzierung des Gesundheitssystems. Was bedeutet das? Wenn wir uns die Polizei oder die Feuerwehr anschauen, werden die entstehenden Kosten vollständig übernommen. Diese Bereiche müssen keinen Gewinn machen. Im Gesundheitssystem ist das anders. Wenn Menschen behandelt werden, bekommen die Krankenhäuser eine vorher festgelegte Summe von den Krankenkassen, die sogenannte Fallpauschale. Nehmen wir uns das Beispiel der Blutabnahme, jede*r von uns hat das schon mal mit sich machen lassen. Das ganze dauert ca. fünf Minuten. Bei Kindern ist dies leider nicht so einfach. Da wird nicht nur eine Person gebraucht, die das Blut abnimmt. Meist werden vier Personen gebraucht, die das Kind fest halten und eine Person, die das Blut abnimmt. Aus den fünf Minuten, werden 20. Dass sowas viel kostenintensiver ist, ist offensichtlich. Doch für beide Szenarien bekommt das Krankenhaus die selbe Summe im aktuellen System. Und das ist nur ein Beispielen von ganz vielen.

Es gibt noch so viel zu tun: Wir brauchen viel mehr Personal, nicht nur in der Pflege, sondern auch in den Therapieberufen und den ärztlichen Bereichen, um Wartezeiten zu minimieren. Wir brauchen unkompliziertere Hilfen, mit einem Minimum an Bürokratie. Doch wie können wir diese ungerechte Verschiebung der Care-Arbeit hin zu den Müttern aufhalten? Wie können wir als Gesellschaft ein wichtiger Pfeiler für diese Familien sein? Wir müssen laut werden für all die, die es nicht können, weil ihnen die Kraft dafür fehlt. Und uns dafür einsetzen, dass unsere Forderungen gehört werden. Gesundheitspolitik betrifft nicht nur die Menschen, die in diesem Bereich arbeiten. Sie betrifft Mütter, Väter, Kinder. Sie betrifft alte Menschen, aber auch junge Menschen. Jederzeit können wir von der einen Sekunde zur nächsten selber abhängig werden von diesem System. Das Gesundheitssystem betrifft uns alle. Es ist an der Zeit, dass wir alle zusammen gegen diese Ungerechtigkeit stellen.