Der Mietendeckel auf Landesebene ist tot! Es lebe die soziale Mietenpolitik auf Bundesebene! – Annika Klose
Am 15. April ging ein Beben durch die Hauptstadt: der Berliner Mietendeckel, das mutige Prestigeprojekt des rot-rot-grünen Senats, aus der Feder von drei SPD-Genoss*innen, wurde vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt. Einstimmig, ohne Anhörung. Man war sich einig, dass allein der Bund zuständig sei, um ein soziales Mietrecht zu regeln. Dieses Beben war weit über Berlin hinaus hörbar, schließlich hatten auch andere Städte darauf gehofft, eine ähnliche Deckelung einzuführen und so Mieter*innen vor Verdrängung zu schützen. Neben der Schadensbekämpfung über einen Härtefallfonds für Mieter*innen, der die fälligen Mietrückzahlungen sozial abfedern soll, wandert der Blick aber mit großem Nachdruck zur Bundesebene. Schließlich hatten Abgeordnete von Union und FDP gegen den Mietendeckel geklagt, verhindern aber gleichzeitig einen wirksamen Mieter*innenschutz über die Bundesgesetzgebung. Da das SPD-Bundestagswahlprogramm in dieser Hinsicht jedoch erfreulich viel im Angebot hat, wird die kommende Bundestagswahl für die Wähler*innen auch zur Abstimmung über eine soziale Mieten- und Wohnraumpolitik.
Das Zukunftsprogramm enthält eine Forderung, welche einem bundesweiten Mietendeckel ähnelt: ein Mietenmoratorium. Dies bedeutet, dass Mieten an Orten mit angespannter Preisentwicklung – also in quasi jeglichen städtischen Gebieten – über einen begrenzten Zeitraum nur in Höhe der Inflation angehoben werden dürfen, womit die Mieten solange kaum steigen. Der Berliner Mietendeckel hatte darüber hinaus auch überhöhte Mieten abgesenkt, doch diese Maßnahme war rechtlich sehr umstritten. Die Bundes-SPD sieht von Mietabsenkungen also wohl erstmal ab. Trotzdem wäre die Einführung des Moratoriums eine große Entlastung für Mieter*innen. Neben dem Moratorium sollen aber auch die bestehenden Instrumente auf Bundesebene nachgeschärft werden: Die Mietpreisbremse soll entfristet und Schlupflöcher geschlossen werden. Insbesondere in Gegenden und Zeiträumen, in denen das Mietenmoratorium nicht greift, ist das ein sehr wichtiges Instrument.
Doch nicht nur private Mieter*innen sind von Verdrängung bedroht. Auch Gewerbe, soziale Träger und Vereine können die Mieten für ihre Räume kaum mehr zahlen. Das Resultat kennen wir alle, wenn der kleine Bäcker um die Ecke durch eine Filiale von einer großen Kette ersetzt wird oder die Innenstädte ausbluten. Und wer braucht schon alle 200 Meter ein Spielcasino? Kultur, Gastronomie und Einzelhandel stehen durch den andauernden Lockdown zudem massiv unter Druck. Es muss also eine Begrenzung der Gewerbemieten her. Auch dazu werden wir im Zukunftsprogramm der SPD fündig: Die Mietsteigerungen sollen begrenzt, ein Gewerbemietpreisspiegel eingeführt und ein sinnvoller Kündigungsschutz durchgesetzt werden.
Zentral für bezahlbaren Wohnraum ist aber nicht nur die Begrenzung von Mieten, sondern auch der Rückkauf von Böden und Häusern durch Rekommunalisierung. Das Beispiel Wien zeigt uns sehr eindrücklich: Der beste Weg, um die Mieten auch langfristig bezahlbar zu halten, ist ein großer öffentlicher Wohnungsbestand. Böden und Immobilien sind seit der Finanzkrise 2008/09 bei internationalen Investor*innen hoch im Kurs: Sie werfen dank steigender Mieteinnahmen Gewinne ab oder lassen sich aufgrund der wachsenden Spekulationsblase auch ungenutzt nach einer Weile gewinnbringend weiterverkaufen. Die Spekulation mit Böden stellt somit ein großes Problem dar: Steigende Bodenpreise in Ballungszentren bedeuten, dass selbst soziale Träger und Genoss*innenschaften nicht mehr bezahlbar bauen können, denn nur auf bezahlbaren Böden können unterm Strich bezahlbare Wohnungen entstehen.
Und das Problem geht über steigende Mieten weit hinaus: Es betrifft mittlerweile auch Ackerflächen und setzt Landwirt*innen unter Druck ihre Kosten zu drücken und aus ihren Flächen noch mehr rauszuholen. Ruhezeiten für die Böden und nachhaltigere Bewirtschaftungsformen bleiben auf der Strecke.
Daher sollen auf Bundesebene Bodenfonds eingerichtet werden, welche Kommunen dabei unterstützen Böden zurückzukaufen und im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu nutzen. Außerdem müssen die bisherigen Steuertricks unterbunden werden, welche es Investor*innen ermöglichen, einige ihrer Gewinne steuerfrei einzustreichen, wenn sie Böden nicht selbst genutzt haben. Perspektivisch müssten auch Maßnahmen ergriffen werden, damit Kommunen beim (Rück-)Kauf von Häusern und Böden nicht mehr die Spekulationspreise, sondern zu einem geringen Preis abkaufen können, zum Beispiel gekoppelt an den Ertrag. Leider ist dies im bisherigen Wahlprogrammentwurf nicht verankert und müsste sicherlich auch noch auf die rechtliche Machbarkeit hin überprüft werden. Mit hoffentlich zahlreichen Jusos in der neuen Bundestagsfraktion werden wir hier aber nicht lockerlassen.
Last but noch least findet sich im Wahlprogrammentwurf ein spannender Ansatz der Wohnungspolitik, der aufhorchen lassen sollte: Die SPD möchte eine neue Form der Wohngemeinnützigkeit einführen. Dieser Ansatz ist an sich nicht neu. Es gab ihn schon mal, jedoch wurde er durch die neoliberale Schwarz-Gelbe Bundesregierung in den 1990er Jahren wieder abgeschafft. Die Wohngemeinnützigkeit ist eine Rechtsform für private Vermieter*innen: Wer dauerhaft bezahlbare Mieten anbietet, welche nur im Rahmen des Inflationsausgleichs steigen dürfen, erhält im Gegenzug Steuernachlässe. Somit werden auch private Akteur*innen auf dem Wohnungsmarkt in die Pflicht genommen, ihren Anteil zum Grundrecht auf Wohnen zu leisten – analog zu öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften. Die Wohnungsbestände bleiben aber in der Hand der privaten Vermieter*innen.
Das Grundrecht auf Wohnen ist eine der zentralen Fragen unserer Zeit. Die SPD liefert in ihrem Zukunftsprogramm progressive Ansätze, mit welchen wir Jusos guten Gewissens in diesen Wahlkampf ziehen können. Schließlich haben wir neben einem guten Wahlprogramm auch tolle, glaubwürdige Juso-Kandidat*innen, die nichts unversucht lassen werden, um nach der Wahl eine soziale und nachhaltige Mietenpolitik für alle durchzusetzen.
-
Annika Klose