Warum jede*r Feminist*in auch Klimaaktivist*in sein sollte – Reka Molner

- Posted by Author: Pauline Schur in Category: Artikel 01/21 | 5 min read

Auf den ersten Blick haben Klima und Feminismus nichts miteinander zu tun. Auf den zweiten Blick, kann man diese beiden Themen aber nicht voneinander trennen. Werden Klimafragen ungerecht beantwortet, führt das automatisch zu weiteren Geschlechterungerechtigkeiten.

Besondere Betroffenheit von Frauen auch im globalen Norden?

Viele klimapolitische Maßnahmen haben individuelle Verhaltensänderungen zum Ziel. Damit wird die Verantwortung zum Schutz des Klimas in Privathaushalte verlagert, wo sie überwiegend von Frauen erledigt wird oder zumindest in deren Verantwortungsbereich fällt.

Das kann zu Spannungen innerhalb von Familien führen und im schlimmsten Fall gar in häuslicher Gewalt eskalieren. Frauen sollen die klimapolitischen Maßnahmen unbezahlt umsetzen, während „Green Jobs” weiterhin vorrangig in männerdominierten Berufen etabliert werden, wie beispielsweise in den erneuerbaren Energien.

Diese Branchen, in denen vermeintlich produktive Arbeit erbracht wird, gelten auch in der Klimadebatte oft als „richtige Arbeit“ – während gleichzeitig unbezahlte Versorgungsarbeit oder der soziale Sektor, in dem überdurchschnittlich viele Frauen tätig sind, marginalisiert werden.

Am Beispiel des Hitzeschutzes lässt sich die besondere Betroffenheit von Frauen auch im globalen Norden anschaulich beweisen. Die physiologischen Auswirkungen von Hitzeereignissen werden durch soziale Faktoren beeinflusst, denn die sozial konstruierte Zuständigkeit für Betreuung und Sorgearbeit durch Angehörige spielt dabei eine wichtige Rolle.

Wenn große Hitzewellen oder Dürren auftreten, führt das oft dazu, dass viele Menschen dehydrieren und besonders ältere Menschen Probleme mit der Hitze haben und in Krankenhäusern stationär behandelt werden müssen. Das führt bei den Angehörigen zuhause und den Beschäftigten in der Pflege zu einer höheren.

Die Pflegearbeit wird nach wie vor meist von Frauen geleistet, daher sind sie sowohl im Beruf, als auch im privaten Bereich stärker durch derartige Ereignisse betroffen.

Bei den daraus resultierenden Forderungen für die politische Praxis wird ersichtlich, dass nur ein intersektionaler Feminismus, der mehrfache Benachteiligungen reflektiert und der in der Lage ist, die Herausforderungen Klimaschutz und Gendergerechtigkeit gemeinsam zu denken, Antworten liefern kann.

Ein weiteres Beispiel betrifft die Energiearmut, von der besonders einkommensschwache Bevölkerungsgruppen betroffen sind. Dabei sind Frauen im Bereich der Erwerbsökonomie strukturell benachteiligt. Zusätzlich muss auf die mögliche Doppelbelastung von Frauen geachtet werden, da gerade Pflegeberufe weiblich besetzt sind.

Warum sind Frauen im globalen Süden so stark vom Klimawandel betroffen?

Frauen sind vor allem im globalen Süden durch Klimakatastrophen mehr als doppelt so oft von extremer Armut betroffen als Männer, wie die Forschung von Oxfam belegt. Das macht Frauen zu der am stärksten betroffenen Gruppe. Geschlechtsspezifische Diskriminierung führt zusätzlich dazu, dass bei Naturkatastrophen weniger Frauen überleben.

Frauen müssen darüber hinaus oft alleine mit den Folgen des Klimawandels umgehen und sehen sind im Fall von Klimakatastrophen in der Verantwortung für ihre Eltern und Kinder. Im Nachgang solcher klimatisch bedingten Krisen verlassen häufig Männer ihre Heimat, mit dem Ziel in anderen Ländern Arbeit zu finden.

Statistiken zeigen, dass gerade nach Naturkatastrophen die Sorgearbeit extrem ansteigt und auch diese überwiegend von Frauen geleistet wird. Dabei haben Frauen nach Katastrophen noch größere Probleme als Männer, denn sie sind in ihrer Mobilität und Sicherheit stärker eingeschränkt.

Es wurde vor allem in Südamerika beobachtet, dass Frauen, die sich für die Umwelt einsetzen, besonders gefährdet sind. Ihnen wird laut IUCN-Studie gezielt sexualisierte Gewalt angedroht oder angetan, um ihren Status innerhalb der Gemeinschaft zu untergraben und andere Frauen davon abzuhalten, sich für den Erhalt der Umwelt – etwa gegen den Bau einer Mine oder eines Staudammes – einzusetzen.

Naturalismus und Sozialisation

Frauen sind einerseits vom Klimawandel und seinen Folgen besonders stark betroffen, andererseits werden ihnen immer wieder besondere Lösungskompetenzen zugeschrieben. Sie sollen sich nicht nur besser an neue Bedingungen anpassen können, sondern auch umweltfreundlicher handeln als Männer.

Es gibt grundsätzlich zwei verschiedene Ansätze, um zu versuchen, die Geschlechterdifferenz zu erklären: den naturalistischen Ansatz und die Geschlechtersozialisationsforschung.Vertreter*innen des naturalistischen Ansatzes sind der Meinung, dass Frauen aufgrund ihrer biologischen Disposition naturverbundener und dadurch umweltfreundlicher sind. Frauen sind, so die Theorie, wie die Natur vor allem auf Reproduktion bedacht, also naturverbunden.

Ein Problem dabei ist, dass dieser Erklärungsansatz die Grenzen des binären Systems verhärtet und die Verantwortung für klimaschützende Maßnahmen automatisch stärker den Frauen zuschreibt. Diese Haltung lehnen wir ab, denn wir sehen den Klimaschutz als gemeinsame Verantwortung und möchten die gesellschaftlichen Rollenbilder aufbrechen.

Vertreter*innen der Geschlechtersozialisationsforschung gehen grundsätzlich davon aus, dass Geschlecht eine fluide Konstruktion ist, sich also stetig wandeln kann. Es bildet sich in einem kulturellen und machtpolitischen Raum, der durch seine Konzeption die Entwicklung des Geschlechts beeinflusst.

Um gewinnbringende Erkenntnisse über die strukturellen Machtverhältnisse und ihre Auswirkungen auf Geschlechter und deren Handlungsspielräume zu generieren, muss mehr Forschung in diesem Bereich ermöglicht werden. Auch müssen Ergebnisse einer „Bestandsaufnahme“ ihren Weg stärker in institutionelle Räume der Sozialisation wie zum Beispiel Schulen finden, um ein kritisches Hinterfragen zu ermöglichen.

Umweltfreundliches Verhalten ist gemäß der Geschlechtersozialisationsforschung eine Frage der Sozialisation und nicht der Biologie. Damit sind auch alle Menschen für gesellschaftlichen Wandel verantwortlich – und zwar in dem Rahmen, den ihnen ihre Sozialisation ermöglicht. Wir alle werden durch unser Umfeld beeinflusst und daher bestimmt die Sozialisation eines jeden Menschen sein Verhalten, völlig unabhängig vom biologischen Geschlecht.

Unsere Antwort: Intersektionaler Feminismus!

„Wir neigen dazu, über Ungleichheit aufgrund von Rassifizierung zu sprechen, als sei sie getrennt von Ungleichheit aufgrund von Geschlecht, Gesellschaftsschicht, Sexualität oder Einwanderungsgeschichte. Was dabei fehlt ist das Verständnis, dass manche Menschen all diesen Ungleichheiten ausgesetzt sind. Die Erfahrung dieser Menschen ist nicht einfach die Summe ihrer Teile”, so die Rechtswissenschaftlerin Kimberlé Crenshaw.

Nur ein intersektionaler Feminismus, der mehrfache und sich überschneidende Benachteiligungen anerkennt und reflektiert, kann der Herausforderung, Klimaschutz und Gendergerechtigkeit gemeinsam zu denken, gerecht werden.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir den intersektionalen Feminismus als gemeinsame Bewegung begreifen und alle müssen ihren Teil dazu beitragen, dass wir hin zu einer echten Geschlechtergerechtigkeit kommen. Den aktuellen Geschlechterungleichheiten müssen wir uns gemeinsam entgegenstellen, um sowohl den Klimaschutz, als auch alle anderen Lebensbereiche gerechter zu gestalten.

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