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Konversionstherapien – was wird unter diesem Begriff verstanden? – Felix Willer

- Posted by Author: Pauline Schur in Category: Artikel 03/20 | 4 min read

Unter so genannten Konversionstherapien oder umgangssprachlich auch „Homoheilung“, werden „medizinische Behandlungen“ verstanden, welche das Ziel haben sollen, queere Menschen von ihrer „Krankheit“ zu befreien und „ganz normal“ zu machen – also heterosexuell.
In Zeiten von Corona und alukugelketten-tragenden Menschen könnte man schnell auf den Gedanken kommen, dass dies bloß eine weitere Verschwörungserzählung ist und es diese so genannten Therapien in Wirklichkeit gar nicht gibt – die traurige Realität ist jedoch, dass es diese „Behandlungen“ tatsächlich gab (und vermutlich noch gibt).
Ja, es gibt auf dieser Welt noch Menschen, die glauben, dass Menschen, welche nicht heterosexuell lieben und leben von einer „Krankheit“ befallen sind – und Krankheiten kann man ja bekannterweise heilen. Dem steht aber im Wege, dass Queer-Sein keine Krankheit ist.
Das hält jedoch, auch in Deutschland, einige approbierte Ärzt*innen, sowie auch selbsternannte Heiler*innen und Vertreter*innen von Glaubensgemeinschaften nicht davon ab, diese so genannten Heilungen trotzdem durchzuführen.
Leidtragende sind in diesen Fällen dann die „zu Heilenden“, da „Konversionstherapien“ für sie mit unsäglichen physischen und psychischen Schmerzen verbunden sind.
Aber warum ist das Thema gerade überhaupt so aktuell?
Vor rund zwei Jahren startete Lucas, ein Genosse aus Mecklenburg-Vorpommern, eine Petition, die sich an Jens Spahn, Christine Lambrecht (Anm. d. Red.: zum Startzeitpunkt noch Katarina Barley), Franziska Giffey und die Abgeordneten des Bundestags unter dem Titel „Verbot von Conversion Therapy („Homo-Heilung“) in Deutschland – JETZT!“. Rund ein Jahr zuvor, konkret auf dem Bundeskongress 2017 in Saarbrücken, verabschiedeten wir als Verband einen weitreichenden Antrag, der sich genau mit diesem Thema befasst.

Die dort enthaltenen Punkte sind folgende:
– die strafrechtliche Verfolgung aller Maßnahmen, die darauf abzielen, eine Veränderung der sexuellen Orientierung und oder geschlechtlichen Identität herbeizuführen

– die strafrechtliche Verfolgung aller Menschen, die Obhut oder Fürsorge für Minderjährige tragen und etwaige Maßnahmen durchführen, planen, vorbereiten oder wissentlich dulden

– die strafrechtliche Verfolgung von Verbreitung von Aussagen oder Medien, die die Möglichkeit solcher „Therapien“ suggerieren, besonders bei Existenz von besonderen Vertrauensverhältnissen

– die Entziehung der Approbation durch die Ärzt*innenkammer für Ärzt*innen, welche die „Therapie“ durchführen.

Inzwischen gibt es ein Gesetz zum Verbot von so genannten Konversionstherapien in Deutschland – verabschiedet durch den Bundestag.
Aber was genau steht da eigentlich drin?

Die gute Nachricht zuerst: Ja, Konversionstherapien sind in Deutschland nun verboten. A
ber für wen eigentlich? Wer fällt in den Rahmen des Gesetzestextes?
Das Gesetz verbietet die so genannten Therapien generell an Minderjährigen – bei volljährigen Menschen entfällt diese Generalisierung jedoch. Bei Volljährigen sind die „therapeutischen Maßnahmen“ nur Verboten, wenn die Einwilligung zur „Therapie“ auf einem Wissensmangel basiert – also, wenn beispielsweise Zwang, Drohung oder aber auch falschen Tatsachen innerhalb der Aufklärung beruht. Auf der Homepage des Bundesgesundheitsministeriums wird als Beispiel angeführt, dass der behandelnde Mensch beispielsweise nicht über die Schädlichkeit der „Behandlung“ hinweist.
Steile Frage aber: Wenn die im Ministerium arbeitenden Menschen scheinbar über die Schädlichkeit der „Therapie“ Bescheid wissen – warum wird dieser Humbug dann nicht gleich für alle Menschen grundsätzlich verboten?!
Des Weiteren wird die Bewerbung, das Anbieten und die Vermittlung solcher „Angebote“ verboten.
Gut gemeint, aber: wenn keine Bewerbung stattfinden darf – wieso wird dieser Nonsens nicht gleich vollumfänglich verboten?!

Ein weiterer relevanter Punkt des Gesetzes ist die Bestrafung von Fürsorge- und Erziehungsberechtigten bei Verletzung der Fürsorgepflicht. Ich erinnere mich noch gut an die Debatte zum Thema auf unserem letzten Landesparteitag: Während das Thema an sich und auch die enthaltenen Forderungen, die sich am Beschluss des Bundeskongresses 2017 orientierten, kein Problem darstellten, wurde der Vorschlag der Entziehung der Fürsorgepflicht durch die Antragskommission gestrichen und der Antrag wurde ohne diesen Passus beschlossen.
Aber was ist eigentlich mit Eltern, die ihren Kindern von dieser vermeintlichen Möglichkeit berichten? Sie betreiben keine aktive, öffentliche Werbung, beeinflussen ihre Kinder natürlich aber trotzdem in ihrem Handeln und Denken als Erziehungs- beziehungsweise Fürsorgeberechtigte. Das Gesetz nimmt Fürsorge- und Erziehungsberechtigte aber, wie bereits oben beschrieben, nur in die Pflicht, wenn diese ihre Pflicht „(…) gröblich verletzen.“ (Vgl.: Gesetz zum Schutz vor Konversionstherapien, §5, Abs. 2).
Als Nicht-Jurist bedeutet dies an dieser Stelle für mich: Kinder von queerphoben Eltern sind einer eindrücklichen Meinung ausgesetzt, welche sich aber nicht im Bereich der Verletzung der Fürsorge- und/oder Erziehungspflicht bewegt. Beugen sie sich diesem Druck dann also und suchen vermeintliche „Heiler*innen“ auf, tragen sie Schmerzen mit sich, die sie mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit ihr ganzes Leben lang begleiten.
Insofern wäre ein härteres Belangen von Fürsorge- und Erziehungsberechtigten nicht nur durchaus wünschenswert, sondern mehr als notwendig gewesen.
Ein weiterer guter Punkt, welcher sich im Gesetz befindet, ist die Einrichtung eines Beratungsangebots, welches durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung geleistet wird. Anonyme Beratung am Telefon oder auch über Onlinemöglichkeiten sind ein wichtiger Schritt, um Unterstützung für von „Therapien“ betroffene Menschen zu schaffen oder aber auch für Menschen, welche unreflektiert über „Heiler*innen“ aktiv informiert werden. Diese müssen aber auch aktiv und selbstbewusst beworben werden.

Ein Beratungsangebot kann noch so gut sein, bringt aber niemandem was, wenn dessen Existenz irgendwo in den Räumlichkeiten der BZgA totgeschwiegen wird.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es gut und wichtig war, einen Anstoß zu geben, dieses Gesetz zu beschließen– vor allem wenn man an die anfänglichen Querelen seitens des zuständigen Ministers denkt. Also: Danke Lucas für deine Motivation und dein Engagement.

Schaut man sich das Gesetz jedoch etwas genauer an, stellt man schnell fest, dass an vielen Punkten noch deutlich mehr drin gewesen wäre und dies nur ein erster Schritt sein kann, um queere Menschen vor so abstrusen Gedanken und Machenschaften zu retten.

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