Warum wir ein besseres Staatsangehörigkeitsrecht brauchen – Sinem Taşan-Funke

- Posted by Author: Pauline Schur in Category: Artikel 03/21 | 3 min read

„Unsere Gesellschaft des Respekts braucht ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht. Nachdem wir bereits dafür gesorgt haben, dass grundsätzlich alle in Deutschland geborenen Kinder mit der Geburt auch deutsche Staatsbürger*innen sind, werden wir auch die generelle Möglichkeit von Mehrstaatigkeit gesetzlich verankern. Wir wollen bestehende Hürden bei Einbürgerungen abschaffen und hierfür auch die geltende Regelaufenthaltsdauer von bisher acht Jahren verkürzen.“

Was ist der Status Quo?

Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht ist geprägt von dem Abstammungsprinzip. Einem Grundsatz, der zum Glück schon länger nicht mehr ausmacht, wer zu dieser Gesellschaft dazu gehört und aus jungsozialistischer Perspektive konsequent abzulehnen ist. Deshalb war es ein großer Fortschritt, dass die SPD vor über 20 Jahren mit der Rot-Grünen Koalition dieses Abstammungsprinzip um das Geburtsortprinzip erweitert hat. Grundsätzlich sind seitdem alle in Deutschland geborenen Kinder mit der Geburt auch deutsche Staatsbürger*innen. Diese Reform war aus unserer Sicht und nach Meinung vieler Expert*innen ein wichtiger Meilenstein für den Weg zur einer echten Einwanderungsgesellschaft. Deshalb ist es gut, dass das Geburtsortprinzip gegen Angriffe von Konservativen, die am liebsten wieder zu dem reinen Abstammungsprinzip zurückkehren wollen, verteidigt wurde. Aus unserer Sicht ist das aber selbstverständlich nicht ausreichend.

Welche Hürden existieren für die Einbürgerung?

Die deutsche Staatsbürger*innenschaft kann man erlangen, wenn man hier acht Jahre mit einem gesicherten Aufenthaltsstatus gelebt und in dieser Zeit seinen Lebensunterhalt eigenständig gesichert hat. Außerdem muss man seine Deutschkenntnisse nachweisen, einen Einbürgerungstest absolvieren und darf dafür noch erhebliche Verwaltungsgebühren zahlen. Doch damit nicht genug: Menschen aus Nicht-EU-Staaten wird immer noch abverlangt, dass sie ihre bisherige Staatsangehörigkeit abgeben. Diese Anforderungen führen dazu, dass Deutschland deutlich hinter der durchschnittlichen Einbürgerungsquote der europäischen Länder zurückbleibt.  Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft leben im Durchschnitt 17 Jahre in Deutschland bis ihre Einbürgerung erfolgt. Gleichzeitig stagniert die die Anzahl der Einbürgerungen seit Jahren und ist für Nicht-EU-Bürger*innen sogar rückläufig.

Warum ist das ein Problem?

Acht Jahre in einem Land zu leben, es durch seine Arbeit mit am Laufen zu halten und dann ohne in den Genuss aller Bürger*innenrechte zu kommen, ohne an Wahlen teilnehmen und vollumfänglich partizipieren zu können – das ist zutiefst ungerecht. Ungerecht ist auch, dass zwischen EU- und Nicht-EU-Bürger*innen derart unterschieden wird. Das gilt insbesondere für die Voraussetzung der Aufgabe der schon bestehenden Staatsbürger*innenschaft. Diese wird von Konservativen allein damit begründet, dass man nicht zu zwei Staaten „loyal“ sein könne. Dieses Scheinargument, das insbesondere gern gegen die doppelte Staatsbürger*innenschaft von Türk*innen und Araber*innen genutzt wird, ist sowohl entlarvend rassistisch als auch zutiefst rückständig. Die geforderten Sprach- und Einbürgerungstests sind vor allem für ältere Menschen und Menschen mit wenig Zugang zu Bildung abschreckend und entmutigend. Menschen, die von Transferleistungen leben, haben sogar überhaupt keine Perspektive auf eine Einbürgerung, da sie keine acht Jahre nachweisen können, in denen sie ihren eigene Lebensunterunterhalt verdient haben. So manifestieren sich auch im Zugang zur Einbürgerung soziale Ungleichheiten.

Was wollen wir tun?

Wir wollen Mehrstaatlichkeit generell zulassen. Unabhängig davon welche Staatsbürger*innenschaft schon besteht, soll die deutsche hinzukommen können und umgekehrt! Damit werden wir den Bedürfnissen vieler Menschen in dieser Gesellschaft gerecht, sich nicht zwischen zwei Staaten und zwei Identitäten entscheiden zu wollen.  Wir werden der Tatsache gerecht, dass wir in einer globalisierten Welt leben, in der Ländergrenzen glücklicherweise allmählich ihre Bedeutung verlieren.

Wir wollen den Weg zur deutschen Staatsbürgerschaft erleichtern. Zentral hierfür ist es, dass die Zeitspanne von acht Jahren, die man hier ohne erhebliche Unterbrechung gelebt haben muss, um sich für eine Einbürgerung zu qualifizieren, reduziert wird. Gleichzeitig werden wir die weiteren Voraussetzungen für die Einbürgerung kritisch auf ihre soziale Durchlässigkeit prüfen. Sprach- und Einbürgerungstests müssen so ausgestaltet sein, dass sie den Zugang zu der Staatsbürgerschaft nicht unnötig erschweren. Das Kriterium der Sicherung des eigenen Lebensunterhalts über die gesamte Zeitspanne des Aufenthalts in Deutschland wollen wir mindestens aufweichen.

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