Das ist doch das Mindeste? Wie wir den Niedriglohnsektor endlich austrocknen! – Miriam Siglreitmaier

- Posted by Author: Kristina Kiel in Category: Artikel 02/22 | 3 min read

Von fünf Arbeitnehmer*innen arbeitet derzeit im Schnitt etwa eine Person im Niedriglohnsektor. Dass Menschen trotz Arbeit in Armut leben, ist skandalös und inakzeptabel. Mit der maßgeblich von der SPD und den Gewerkschaften vorangetriebenen Einführung des gesetzlichen Mindestlohns 2015 wurde ein wichtiges politisches Instrument geschaffen, um diesem Trend geringer Löhne entgegenzuwirken. Während der Mindestlohn zum Zeitpunkt der Einführung 8,50 Euro brutto pro Stunde betrug, wird die Mindestlohnschwelle im Oktober dieses Jahres auf 12 Euro erhöht werden. Zeit zu fragen: Was wurde seither erreicht? Und was muss passieren, um den Niedriglohnsektor endlich auszutrocknen?

Der Mindestlohn: eine Erfolgsgeschichte

Als der Mindestlohn eingeführt wurde, hatte er viele Gegner*innen aus konservativen und liberalen Kreisen. Nach sieben Jahren wissen wir aber, dass sich die negativen Prophezeiungen, z.B. vom Wegfall vieler Arbeitsplätze, nicht bewahrheitet haben. Im Gegenteil: die höheren Löhne wurden häufig in Konsum umgewandelt, wovon viele Branchen profitierten. Gleichzeitig wurden die Gehälter von Millionen Menschen angepasst. Hungerlöhne von 5 Euro pro Stunde, die vor der Einführung keine Seltenheit waren, gehören nun der Vergangenheit an.

Um wirklich armutsfeste Löhne zu schaffen, muss die Höhe des Mindestlohns regelmäßig angepasst werden. Im Oktober kommt die lange geforderte Erhöhung auf 12 Euro pro Stunde. Schätzungsweise 6,2 Millionen Arbeitnehmer*innen profitieren von der Anpassung, was insbesondere Frauen und Beschäftigten in den Ostbundesländern zugutekommt. Die Erhöhung des Mindestlohns betrifft besonders Beschäftige im Gastgewerbe, im Bau und im Verkehrssektor.

Mindestlohn für wirklich alle?

Das Ziel des gesetzlichen Mindestlohns besteht darin, eine rote Linie dort zu ziehen, wo Löhne nicht mehr zum Leben reichen. Es ist auch eine Frage des Respekts, dass geleistete Arbeit einen angemessenen Lohn verdient. Um dies zu erreichen, muss der Mindestlohn allerdings flächendeckend wirklich allen Beschäftigten zugutekommen. Es ist daher überfällig, dass auch Praktikant*innen, Minderjährige und Beschäftigte in Behindertenwerkstätten davon profitieren. Allein die Höhe des Stundenlohns bekämpft nicht prekäre Beschäftigungsbedingungen. Im Fall von Minijobber*innen ist es wichtig, dass die Stundenlöhne steigen, aber auch reguläre sozialversicherungspflichtige Verhältnisse geschaffen werden. Dass die Geringfügigkeitsgrenze auf 520 Euro angehoben wird, ist deswegen kontraproduktiv. Gerade für Frauen stellen Minijobs eine Armutsfalle dar, aus der sie nur schwer herauskommen. Gleichzeitig ist es zentral, dass Betrug beim Mindestlohn unmöglich gemacht wird und wenn es doch geschieht, angemessen bestraft wird. Gerade Migrant*innen mit geringer Qualifikation und wenigen Deutschkenntnissen sowie illegalisierte Menschen sind davon häufig betroffen und werden ausgebeutet. Um Betrug aufzudecken bedarf es mehr Kontrollen und Kampagnen, um Beschäftigte über ihre Rechte zu informieren. Damit der Mindestlohn in der Praxis wirkt, ist es außerdem essentiell, eine effektive und verpflichtende Arbeitszeiterfassung einzuführen.

Was der Mindestlohn leisten kann und was nicht

Durch den gesetzlichen Mindestlohn wurden in der Breite viele Beschäftigungsverhältnisse verbessert. Gerade in Branchen, in denen keine Tariflöhne gezahlt werden, ist der Mindestlohn ein notwendiges Mittel, um armutsfeste Löhne zu schaffen. Allein mithilfe des Mindestlohns kann der Niedriglohnsektor allerdings nicht eingegrenzt werden. Dafür ist ein umfangreiches Paket von beschäftigungspolitischen Maßnahmen nötig. Zudem darf das Ziel nicht nur darin bestehen, Hungerlöhne zu verhindern, sondern muss sein, gute Löhne für alle Beschäftigten zu erreichen. Dafür braucht es eine Umkehr des Trends niedriger Tarifbindung. Das ist nicht allein Aufgabe der Gewerkschaften, sondern auch der Politik. Eine Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen erleichtert etwa tarifliche Absicherung. Ein wichtiger Schritt zur Eindämmung des Niedriglohnsektors besteht auch darin, geringfügige Beschäftigung in Form von Minijobs stärker zu begrenzen.

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